Pinar Selek:
Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt. Männliche Identitäten. Orlanda Verlag, Berlin 2010. 240 S., 18 €.
Stefan Berkholz
Der obligatorische Dienst an der Waffe sei darauf angelegt, die Persönlichkeit der jungen Männer zu brechen, sagt die türkische Soziologin Pinar Selek. „Abgebrüht“, so nennt es die Autorin, würden die jungen Soldaten ins weitere Leben entlassen. So etwas wie Verweigerung gebe es nur am Rande und in Ausnahmefällen. Selek hat 58 türkische Männer zum Militärdienst befragt und dabei tiefe Einblicke in eine patriarchalische und gewalttätige Gesellschaft gewonnen. Ausführlich lässt sie die befragten Männer zu Wort kommen und verdeutlicht die Strukturen beim türkischen Militär: Gewalt, Demütigungen, ohnmächtige Wut, Angst, eiserne Disziplin und die Faszination für Waffen würden erlernt, den (obligatorischen) Militärdienst müsse man als traumatisch bezeichnen. Die Feministin zeigt auch, wie die jungen Männer militärisch geschult werden für das zivile Leben danach. Es gibt ein Unterrichtsfach Staatsbürgerkunde beim Militär, in dem die Rekruten lernen sollen, wie sie sich später als Ehemann, Ernährer und Beschützer zu bewähren haben. Der „Mann ist die Streitmacht der Familie“, schreibt Selek. Zugleich aber betont sie, dass dies keineswegs biologische Gründe habe. Der Mann werde erst zu dem gemacht, der er dann ist. Seleks Buch ist eine einzige Anklage gegen die Militarisierung und das Patriarchat einer Gesellschaft, die offenbar weit entfernt von demokratischen Strukturen ist.
Pinar Selek stellt ihr Buch am 2. Juni um 20 Uhr 30 im Café Hofperle in Berlin vor.