dose: Gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Pınar Selek[1]
Wieder einmal ist in der Türkei eine Kampagne für die feministische Soziologin Pınar Selek angelaufen, die letzte Kampagne fand im Jahr 2006 statt. Anlass der Kampagne ist, dass das seit nunmehr 11 Jahren laufende Verfahren wiedereinmal aufgenommen wurde.
Die Vorgeschichte ist eine Explosion am 9.6. 1998 im Mısır Çarşı in Istanbul, bei der 7 Menschen ums Leben kamen und 127 Menschen verletzt wurden. Vier Personen wurden daraufhin festgenommen:Alaattin Öget, İsa Kaya, Kadriye Kubra Sevgi und Pınar Selek, angeklagt wegen Mithilfe bei dem vorgeblichen Bombenanschlag und Mitgliedschaft bei der verbotenen Organisation PKK. Pınar Selek wurde von der Antiterrorabteilung der Polizei nach Namen von PKK-Mitgliedern, die sie im Rahmen ihrer Arbeit an einem Buch über Militarismus und Frieden in der Türkei und Kurdistan interviewt hatte, befragt.
Nachdem eine Expertenkommission im Jahr 2000 ein Gutachten erstellt hatte, wonach die Explosion nicht durch eine Bombe, sondern durch austretendes Gas aus einer Propangasflasche, verursacht worden war, wurde Pınar Selek nach mehr als zwei Jahren Haft entlassen. Die Anklage geistert allerdings seither weiterhin durch die unterschiedlichen Gerichte für „Schwere Verbrechen“ und wird bei Bedarf immer wieder aus dem Sack gezogen. So z.b. 2005, ein Jahr nach dem Erscheinen von Pınar Seleks Studie „Barışamadık“ - (Wir konnten keinen Frieden schließen), in der die Soziologin, die Perspektiven von Friedensbewegung und Anti-militaristischem Widerstand in der Türkei untersucht, wobei sie Patriarchat, Krieg und Militarismus als wesentliche Kategorien der gesellschaftlichen und individuellen Identitätsbildung in der Türkei annimmt.
Im Juni 2006 wurde sie das erste Mal freigesprochen, weil „die Ursache der Explosion nicht mit Gewissheit festgestellt werden konnte“. 2007 erklärte ein Gerichtshof den Freispruch für ungültig und nahm die Anklage wieder auf. 2008 sprach das Istanbuler Gericht für Schwere Straftaten Nr. 12 zum zweiten Mal einen Freispruch aus,„weil nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob es sich um eine Bombe oder um ein Propangasgebrechen handelte“. Zwei der Mitangeklagten, Alaattin Öget und İsa Kaya, wurden von diesem Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt, wegen des Delikts „Versuch das Territorium des unteilbaren türkischen Staates aufzuspalten“.
Jetzt wurde die Anklage gegen Pınar Selek trotz der zweimaligen Freisprüche wieder aufgenommen. Der Oberste Gerichtshof Nr. 9 fordert lebenslangen schweren Kerker – für ein Verbrechen, das gar nicht stattgefunden hat.
Vor ihrer Haftzeit übersetzte Pınar Selek Manifeste der Zapatistischen Bewegung und Briefe von Marcos ins Türkische (1996), lebte und arbeitete mit Straßenkindern und schrieb ei