Marcus Born 08.05.2010
Die Soziologin Pinar Selek über die Gründe, warum sie in der Türkei verfolgt wird, und wie die Männer durch das Militär formiert werden
Die Soziologin Pinar Selek, die sich in ihren Veröffentlichungen insbesondere für die Rechte von Minderheiten einsetzt, wurde in der Türkei wegen eines angeblichen Bombenattentats auf einem Istanbuler Markt inhaftiert und gefoltert. Obwohl mehrere Gutachten belegen, dass keine Bombe, sondern eine Gasflasche explodierte, wurde ein 2006 erfolgter Freispruch vom obersten Kassationsgericht in Ankara wieder aufgehoben. Der Autorin droht nach Wiederaufnahme des Verfahrens lebenslange Haft, wogegen international Widerspruch erhoben wurde. Mit ihrem soeben in Deutschland erschienenen Buch zur Identitätsbildung im Militär, in dem sie Männlichkeitsmechanismen aus feministischer Perspektive beleuchtet, hat sie in der Türkei wiederum Aufsehen erregt.
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Pinar Selek |
Sie wurden 1999 angeklagt, auf einem Istanbuler Markt eine Bombe gelegt zu haben. Daraufhin hat man Sie zweieinhalb Jahre lang inhaftiert. Wie erklären Sie sich, dass es zu dem Prozess gekommen ist, der nun in seine dritte Runde geht?
Pinar Selek: Das ist sehr schwierig zu erklären. Es gibt eine ernsthafte Diskussion in der Türkei darüber, warum man sich so sehr gegen mich wendet. Dies ist eine wichtige Diskussion. Denn einige Kräfte haben mich als Symbol ausgesucht, um den Menschen Angst einzujagen. Darüber hinaus gibt es sehr unterschiedliche Kreise, die mit lauter Stimme über meine Arbeit diskutieren und darüber, warum diese Arbeit das System stört.
Als Soziologin behandle ich Themen, die tabuisiert sind. Ich forsche nicht nur darüber, sondern bin Teil einer effektiven Bekämpfung von Gewalt, Militarismus, Krieg, Sexismus und jeglicher Diskriminierung. Deswegen passiert mir das, was mir passiert ist. Das ist bekannt. Deswegen wird in der Türkei nun mehr über meine Arbeit diskutiert und über die Bücher, die ich geschrieben habe. Das bedeutet, diese Kreise haben ihre Ziele nicht erreicht. Man hat mich wegen meiner Arbeit zur PKK in Gewahrsam genommen. Ich sollte die Namen der Menschen verraten, mit denen ich gesprochen hatte. Ich war nicht bereit dazu und stand zu meiner Arbeit und Forschung. Daraufhin wurde ein großer Komplott gegen mich gestartet. Man hat meine Arbeit genommen und ve