Haus Drei in der Hospitalstraße 107 in Hamburg, der Saal füllt sich, 70 Frauen sind es bestimmt, die gekommen sind, die Soziologin und radikalsozialistische Feministin Pinar Selek zu hören. Pinar Selek ist eine überaus sympathische, junge Frau, die viel lacht. Sie lebt in der Türkei, veröffentlichte Studien über die Gewalt an Straßenkindern, an Sexarbeiterinnen und Transsexuellen sowie militärkritische Schriften, sie übersetzte ein Buch des Zapatisten Marcos ins Türkische, sie ist Mitbegründerin der Frauenkooperative Amargi und hat bisher vier Bücher veröffentlicht. Im Jahr 2004 “Barismadik” (Wir haben keinen Frieden geschlossen), in dem sie die Friedensbewegung und den Militarismus in der Türkei analysiert. Ihr letztes Buch “Sürüne sürüne erkek olmak” (”Kriechend zum Mann werden”) beschreibt das türkische Militär als eine Art Zwangsinitiationsstation zur Konstruktion männlicher Identität, die es unter allen Umständen zu beweisen, zu zeigen und zu verteidigen gilt.
Ihr letztes Buch liegt nun als deutsche Übersetzung vor: „Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt“ (Orlanda verlag). 1971 in Istanbul geboren, Studium der Soziologie in Ankara und Paris, hat sie bisher zahlreiche gesellschaftlich brisante Studien durchgeführt, darunter eine zum Vorgehen der Streitkräfte Ankaras im Siedlungsgebiet der türkischen Kurden.
In der nachfolgenden Diskussion im Haus Drei in Hamburg wird eines deutlich: Ihr neuestes Buch: Zum Mann gehätschelt – Zum Mann gedrillt, ist die umfangreichste und differenzierteste Analyse, die es seit Ulrike Meinhof auf dem Gebiet der Frauenemanzipation gegeben hat.
Ihre Beobachtungen und Interviewergebnisse zeigen ein entlarvendes Bild, in welcher Weise die patriarchale „Umwandlung des Mannes unter Gewaltanwendung, Verwirrung, Unterwerfung, Hilflosigkeit und Zorn vor sich geht“, den Mann als Mensch zu einem „ramponierten Wesen“ macht, ihn „beschädigt“, und wie dann „die sich gegenseitig stärkenden und selbst generierenden Machtmechanismen“ aus dieser „Beschädigung Kraft“ ziehen. ( Pinar Selek, Zum Mann gehätschelt…,S. 232).
Beginnend mit dem Beschneidungsritual ( Ein Fest der Angst um Angst zu unterdrücken: Vater klopft dem im Sultanskostüm stehenden 10-jährigen Knaben auf die Schulter, es passiert nichts Schlimmes, die Mutter: Mein Sultan, mein Löwe, er selbst begreift, sollen die dir doch was abschneiden, sollen die Mädchen doch platzen vor Neid, dass sein Geschlecht, eine unheilvolle Waffe ist, die durch Schmerzen wächst, eh er zum Mann wird) über das Ritual der Brautnacht ( Das Geschlecht muss jetzt zum Messer werden, dass das Hymen durchstößt) geht sie in zahllosen Sequenzen auf die Funktion der Militärsozialisation in der reinen Männerhierarchie ein. Der Wehrdienst hat ausschließlich die Funktion der Mannwerdung, beschreibt Pinar Selek, der Mann lernt hier die Außenwelt kennen (Ortswechsel oft erstmalig), setzt sich mit Schwierigkeiten (Gewalt, Demütigung, Erniedrigungen) auseinander, lernt in der