Andreas Müller: Die türkische Soziologin Pinar Selek hat zu feministischen Themen, zu Geschlechterverhältnissen, Transsexualität und Minderheiten geforscht und publiziert. Ende der 90er-Jahre forschte sie für eine Arbeit zur Kurdenfrage und erregte damit die Aufmerksamkeit der Polizei, wurde verhaftet und gestand unter Folter die Beteiligung an einem Bombenanschlag, der - das wurde rasch klar - keiner war und mit dem sie ohnehin nichts zu tun hatte. Bis heute droht Selek in der Türkei lebenslange Haft.
Längst ist sie in ihrer Heimat zur Symbolfigur geworden für ein nicht wirklich funktionierendes Rechtssystem und dafür, was einem passieren kann, wenn man sich - und sei es nur als Wissenschaftlerin - mit der Kurdenfrage beschäftigt. Inzwischen lebt Pinar Selek im Berliner Exil. Jetzt erscheint in deutscher Sprache ihr neues Buch, "Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt. Männliche Identitäten". Pinar Selek ist jetzt bei uns im Studio, schönen guten Tag!
Pinar Selek: Merhaba!
Müller: Gender Studies, also die Geschlechterforschung, ist - nachdem zu diesem Thema viele Jahre lang eigentlich nur in den USA gearbeitet wurde - auch hierzulande en vogue. Wie steht es damit eigentlich in der Türkei?
Selek: In den letzten 30 Jahren ist die Geschlechterforschung, besonders eben, was mit Feminismus zu tun hat, hat sich sehr weit entwickelt. Das hat dazu geführt, dass es dann in allen Bereichen, sei es in Bildung, in dem sozialen Bereich und in der Politik, haben sich in diese Richtung ganz viele Veränderungen und Entwicklungen auch entwickelt. Und in den ganzen Akademien, also in dem universitären Bereich, haben sich auch ganz viele Veränderungen etabliert. Seit den letzten acht bis neun Jahren gibt es in fast allen Universitäten einen Lehrstuhl für Gender Studies.
Also auch dadurch, dass ganz viele inzwischen sich mit den Gender Studies beschäftigen und dem Feminismus, es ist nicht nur so