Pınar Selek
In der Türkei verfolgt, im Exil gefeiert: Pinar Selek



Die Feministin muss fürchten, lebenslang eingesperrt zu werden

Susanne Güsten

13.4.2010 14:40


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ISTANBUL - In Deutschland legt sie gerade ein Buch über den Alltag in der türkischen Armee vor ("Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt", Orlanda-Verlag), in ihrer türkischen Heimat wartet ein Prozess auf sie: Für die türkische Soziologin und Feministin Pinar Selek, die seit dem vergangenen Jahr als Stipendiatin des deutschen PEN-Zentrums in Berlin lebt, wäre es derzeit gefährlich, in die Türkei zurückzukehren.

Die heute 39-jährige Selek hatte gerade ihr Soziologiestudium abgeschlossen, als eine Detonation in der historischen Altstadt von Istanbul ihr Leben aus der Bahn warf. Sieben Menschen starben bei der Explosion im Ägyptischen Basar im Juli 1998. Nachdem zunächst ein Bombenanschlag der kurdischen PKK vermutet wurde, gaben die Behörden rasch Entwarnung: Eine defekte Gasflasche in einem Imbisslokal habe die Explosion verursacht, sagten Polizeichef und Staatsanwalt.

Von der Polizei gefoltert

Doch dann wurde Selek verhaftet. Die Soziologin, damals 27 Jahre alt, recherchierte zur Explosionszeit für eine Arbeit über die Kurdenfrage und interviewte dafür Gesprächspartner, die sie bis heute nicht nennen will. Um diese Gesprächspartner ging es der Polizei offenbar, als sie die angehende Sozialwissenschaftlerin festnahm und folterte. Zwei bestimmte Namen wollten die Beamten von der jungen Frau hören. Als sie die nach einer Woche nicht preisgegeben hatte, zwangen sie ihr eine Unterschrift ab: Im Auftrag der PKK habe sie eine Bombe im Ägyptischen Basar gelegt, hieß es in dem Geständnis.

Das werde sich ja schnell entkräften lassen, dachte die junge Frau bei der Unterschrift - doch dann begann der bizarre Prozess, der sich bis heute hinzieht. Obwohl ein Gerichtsgutachten nach dem anderen bekräftigte, dass die Explosion von einer undichten Gasflasche verursacht wurde, blieb Pinar Selek zweieinhalb Jahre lang hinter Gittern - und muss bis heute fürchten, lebenslang eingesperrt zu werden. Trotz mehrfachen Freispruchs entschied der türkische Berufungsgerichtshof vor ein paar Wochen wieder, dass Selek zu lebenslanger Haft verurteilt werden müsse; der Prozess soll nun wieder aufgenommen werden.

Symbolfigur für die Demokratisierung

Ihrer Herkunft aus dem Istanbuler Bildungsbürgertum hat Pinar Selek es zu verdanken, dass sie nicht längst für ein Jahrzehnt oder mehr hinter Gittern verschwunden ist wie viele namenlose junge Frauen im kurdischen Südosten des Landes. Ihr Vater ist ein bekannter Rechtsanwalt, prominente türkische Intellektuelle setzen sich für sie ein. Die Solidaritätskampagne ist längst über die Türkei hinaus gewachsen, der Prozess hat Pinar Selek zu einer Symbolfigur für den Kampf um die Demokratisierung ihres Landes gemacht.

In diesem Kampf bleibt sie auch aus dem deutschen Exil heraus weiter aktiv: Kürzlich unterzeichnete wie zusammen mit rund 200 anderen türkischen Intellektuellen einen Appell für eine neue und demokratische Verfassung für ihr Land.

13.4.2010 14:40 MEZ Mehr vom aktuellen Tagesgeschehen lesen Sie in Ihrer Zeitung.

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