Pınar Selek
Wir können zwar alles bezeugen, warten aber immer noch auf Gerechtigkeit


13/02/2010
Die Soziologin, Feministin und Schriftstellerin Pinar Selek wird seit mittlerweile elf Jahren ungerechterweise für die Explosion am Istanbuler Gewürzmarkt verantwortlich gemacht. Zweimal ist sie schon von dieser Anklage freigesprochen worden, doch das Kassationsgericht hat den Freispruch ungerechtfertigt am 9. März 2009 aufgehoben. Den Einspruch der Staatsanwaltschaft in Ankara gegen diese Entscheidung hat der Strafrat des Kassationsgerichts letzte Woche abgewiesen.
Diesen Entscheidungen zum Trotz warten wir seit Jahren immer noch auf Gerechtigkeit.

Wir sagen nicht mehr: „Wir sind Zeugen im Fall Pinar Selek“. Weil man mittlerweile nicht mehr nur in der Türkei, sondern in der ganzen Welt um Pinars Bemühen um Gleichheit, Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit weiß. Alle, die seit Jahren Zeugen des Verfahrensverlaufs und von Pinars Freispruch geworden sind, werden dies auch weiterhin sein, und jeden Tag kommen mehr dieser Zeugen hinzu. Allerdings ist es auch nicht nur in der Türkei, sondern in der ganzen Welt bekannt, dass Gerechtigkeit in der Türkei einen schweren Stand hat; dass viele Bemühungen darum oft ergebnislos oder schmerzvoll enden. Was diesen Punkt angeht, ist offensichtlich, wie Recht Pinar hat. Wir alle brauchen Gerechtigkeit für eine faire und friedliche Türkei. Das ist der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zu einem erneuten Freispruch Pinar Seleks.

Was diesen Punkt angeht, lohnt es sich, die ungerechtfertigten und ungerechten Seiten dieses Verfahrens erneut zu betrachten. Wir verfolgen es seit Jahren – alle Aussagen, die dazu gemacht wurden, sind nach und nach hinfällig geworden:

Zuerst einmal muss gesagt werden, dass man sich lange Zeit sogar weigerte, die Ursache der Explosion zu untersuchen – dabei ist sie doch der wichtigste Punkt auf dem Weg zu einem gerechten Urteil. Verschiedene Expertenteams wurden immer wieder ersetzt und gestoppt, weil sie zu dem Ergebnis kamen, dass „die Explosion durch ein Gasleck ausgelöst wurde.“ Es war fast so, als ob das Kassationsgericht das Ergebnis der Experten nicht hören wollte. Wir wissen schon gar nicht mehr, gegen was wir uns seit Jahren auflehnen: Gegen das Kassationsgericht, dass entgegen dem Urteil der Experten handelt? Oder gegen die Ungerechtigkeit, mit der eine Sozialwissenschaftlerin, deren Unschuld bereits einwandfrei bewiesen wurde, immer noch zu kämpfen hat?

Und noch etwas: Die Explosion wurde nicht von einer Bombe ausgelöst. Aber was auch immer die Ursache der Bombe war: was hat das alles mit Pinar Selek zu tun? Während ihrer Verhöre ist Pinar Selek nicht ein einziges Mal zu dieser Explosion befragt und später erst durch einen plötzlich auftauchenden Zeugen beschuldigt worden. Dieser Zeuge war Abdülmecit Öztürk, der seine Aussage nach eigenen Worten unter „Druckausübung und schwerer Folter“ gemacht hatte…
Zuerst hatte Öztürk erklärt, dass er die Tat zusammen mit Pinar begangen hätte – doch später gab er wiederholt an, „Pinar Selek gar nicht zu kennen.“ Die Frage, die wir seit Jahren stellen, bleibt weiterhin unbeantwortet: wie kann ein Aussageprotokoll anerkannt werden, für das rechtskräftige Beweise völlig fehlen, das durch Öztürk zu einem juristischen Skandal geworden und offensichtlich unter Ausübung von Druck zustande gekommen ist und zurückgezogen wurde? Wie ist es außerdem zu erklären, dass Pinar Selek, die keine einzige Aussage zu der Explosion gemacht hat und freigesprochen wurde, immer wieder angeklagt wird, während Öztürk, der zugegeben hat „die Tat begangen zu haben“, endgültig freigesprochen wurde?    

Wir sind uns darüber im Klaren, dass es sich hier nicht um ein juristisches, sondern ganz klar um ein politisches Verfahren handelt…und um den Kampf einer aufrichtigen und bemerkenswerten Soziologin, einer Freundin, die sich an die
Pınar Selek
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Mahkeme Süreci Court Process