Aus dem französischen Übersetzt:

Der Prozess am 7. März: die Chancen sehen nicht gut aus!

Am 7. März wird die Soziologin und feministische Schriftstellerin Pinar Selek in Istanbul wieder vor Gericht treten. Dieser Prozess hätte schon im September stattfinden sollen; offiziell wurde er aufgrund von Verwaltungsgründen auf März verschoben. In dieser Zeit hat sich die Repression gegenüber freidenkenden Menschen in der Türkei verschärft. Im Oktober, Dezember und Januar sind viele Menschen in der Türkei festgenommen worden. Der Prozess von Pinar Selek findet vor diesen dramatischen Entwicklungen statt.

Aufgrund ihrer soziologischen Arbeiten in Bezug zur PKK wurde Pinar Selek 1998 in der Türkei festgenommen. Im Gefängnis wurde sie gefoltert um die Menschen zu benennen mit denen sie ihre Interviews in ihren Recherchen durchgeführt hatte. Sie gab jedoch nichts preis. Die Staatanwaltschaft hat sie zur Mittäterschaft an einem Bombenattentat (Affäre des „Egyptischen Marktes“, Juli 1998) angeklagt und sie wurde zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Jahr 2000 wurde frei gesprochen und kam aus dem Gefängnis. Dann wurde sie im Jahr 2006 und 2011 wieder beschuldigt und vor Gericht beurteilt. Jedes Mal wurde frei gesprochen. Die Staatsanwalt legte jedoch jedes Mal Widerspruch ein, so dass das ganze Verfahren wieder von vorne ging.

Ein neuer Prozess sollte im September 2011 wieder stattfinden; dieser wurde jedoch aufgrund „technischer Gründe“ verschoben, die Akte sei dem Bundesgerichtshof nicht ausgehändigt worden. Der Prozess um Pinar Selek wird also am 7. März 2012 stattfinden.

Nachdem Pinar Selek Folter und Inhaftierung erlitten hat, erlebt sie seit 13 Jahren auch noch eine psychologische Folter. Sie ist Opfer eines verbissenen Gerichtsapparates der sich der Gerechtigkeit verweigert bis hin zur Missachtung der Europäischen Konventionen der Menschenrechte, die die Türkei unterschrieben hat. Pinar Selek lebt im Exil weil sie in ihrer Heimat die Inhaftierung riskiert.

Das Gericht weigert sich 3 wiederholte Freisprechungen in Betracht zu ziehen, außerdem nimmt das Gericht nicht Rücksicht auf ihre beruflichen Motive, die sie vom Terrorismus distanzieren.

Der Prozess am 7. März steht unter einem dunklen Schatten: seit September wurden etliche Menschen festgenommen: Studenten, Forscher, Journalisten, Verleger, Fachredakteure, etc. Der Krieg im Sud-Osten wird als Vorwand genommen um eine gnadenlose Repression zu rechtfertigen, die es seit dem Putsch von 1980 nicht mehr gegeben hat!

Es ist möglich, dass neue erfundene Anklagen gegen die Soziologin benutzt werden um die Gerichtsverhandlungen in die Ewigkeit zu verlängern.

Warum diese Verbissenheit ?

Wir denken, dass das Gericht mit diesem Prozess Macht ausüben möchte. Pinar Selek ist eine Intellektuelle und eine Aktivistin die sich nie angepasst zeigte; sie hat sich immer entschieden für die Benachteiligten, die Unterdrückten, die Widerständler zu kämpfen und mit ihnen zu arbeiten. Sie symbolisiert eine freie und unabhängige Forschung, die sich nicht den Anordnungen der Macht unterwirft.

Indem sie ständig verfolgt wird, indem sie ins Exil getrieben wurde, versucht man nicht nur sie zu entmutigen, sie wird auch daran gehindert ihrer intellektuellen Arbeit nachzugehen. Ihre Arbeiten und Stellungnahmen würden nämlich vieles in Frage stellen.

Jede Gesellschaft hat ihre Techniken der sozialen Kontrolle. Im „türkischen Modell“ das den arabischen Ländern angeboten wird, sind Oppositionelle wie „Feinde“ und „Terroristen“ stigmatisiert, und werden somit aus der Gesellschaft geworfen. Dadurch wird eine Stimmung gegen sie verbreitet die Verleumdung, Gewalt und sogar auch Mord gegen sie hervorruft. Erinnert wir uns, dass Hrant Dink im Jahr 2007 umgebracht wurde.

Pinat Selek hat der physischen Folter stand gehalten und sie leistet weiterhin Widerstand gegen die psychische Tortur.

Wir müssen sie unterstützen, um ihretwillen, aber auch für die Gedanken- und Meinungsfreiheit in der Türkei und für alle anderen Inhaftierten.