Am 9. Februar stand Pinar Selek - in Abwesenheit - erneut vor Gericht. Ihr wurde vorgeworfen 1998 bei einem Anschlag in Istanbul sieben Menschen getötet zu haben. Damals wurde sie, die als Soziologin über die Kurdenfrage arbeitete, mit einem der kurdischen PKK unterstellten Anschlag auf den Gewürzmarkt am Goldenen Horn in Verbindung gebracht und verhaftet.

Obwohl sie bereits zwei Mal frei gesprochen wurde, gilt der vermeintliche Anschlag doch längst als Gasexplosion, wies der Oberste Gerichtshof das Verfahren an das Istanbuler Schwurgericht zurück. Erneut wurde Pinar Selek von diesem jetzt vom Vorwurf des Bombenattentats frei gesprochen. Allerdings soll im Juni ein zweiter Anklagepunkt verhandelt werden, nämlich ihre angebliche, von ihr stets bestrittene Mitgliedschaft in der PKK.

Gerichtsverfahren gegen systemkritische Schriftsteller haben in der Türkei Methode. Nobelpreisträger Orhan Pamuk bekam das mehrfach zu spüren und der armenisch stämmige Hrant Dink wurde wegen des absurden Gummiparagraphen "Beleidigung des Türkentums" verurteilt und damit zum Abschuss frei gegeben. Eben erst jährte sich der vierte Jahrestag seiner Ermordung durch Nationalisten auf offener Straße.

Inzwischen ist die Stimmung in dem um den EU-Beitritt buhlenden Mittelmeerland gegen die sich als Staatschützer missverstehenden Ankläger und Richter gekippt. Einer Kampagne für Selek haben sich 100.000 Menschen angeschlossen, unter ihnen die Schriftsteller-Kollegen Yasar Kemal und Orhan Pamuk.

Aus Deutschland, wo Selek seit 2009 lebt, zunächst als Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung, inzwischen als "Writer in Exile" des Deutschen PEN-Zentrums, reiste Verstärkung zum Prozessauftakt an: die Vizepräsidentin des PEN-Clubs Christa Schünke und Enthüllungsschriftsteller Günter Wallraff.

Von Pinar Selek liegt auf Deutsch das Sachbuch aus dem Innenleben des türkischen Militärs "Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt", im Orlanda Verlag vor.

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