Wenn die junge türkische Soziologin und Schriftstellerin Pinar Selek, die sich in ihrem Lande mutig für die Rechte von Minderheiten eingesetzt hat, seit zwölf Jahren von der Justiz verfolgt wird, ist das ein Skandal. Ein noch größerer Skandal ist aber, daß sie, die bereits zweimal in derselben Sache freigesprochen wurde, nun, da das Höchste Gericht der Türkei diese Freisprüche widerrufen hat, erneut vor einer Istanbuler Strafkammer erscheinen soll und zu bis zu 36 Jahren Isolationshaft verurteilt werden könnte.
Ich stehe an der Seite all derer, die hierzulande und in aller Welt die endgültige Einstellung dieses Verfahrens gegen Pinar Selek fordern. Ich vertraue auf die Vernunft der türkischen Justiz bei der Behandlung dieses Prozesses. Ebenso hoffe ich darauf, daß andere Verfahren, bei denen es eindeutig um die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit geht und die derzeit in den Medien weniger Aufmerksamkeit finden, ebenfalls mit Augenmaß abgeschlossen werden.
Günter Grass
Lübeck, den 7. Februar 2011