Pınar Selek
Deutsch-Türkische Lesung und Gespräch mit Pinar Selek
Veranstaltungen im September

Was uns auf den Nägeln brennt
Deutsch-Türkische Lesung und Gespräch mit Pinar Selek über ihre Studie „Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt“ (Orlanda Verlag)

Montag, 06. September, 20.00 Uhr
Literaturhaus, Schwanenwik 28


Der Eintritt in die Armee heißt im Türkischen wörtlich: „Man ergibt sich“. Der  Soziologin und Sachbuchautorin Pinar Selek, zurzeit Stipendiatin des P.E.N. in Berlin, droht in der Türkei erneut ein absurder Prozess. Schon 1998 geriet sie in den Apparat der türkischen Justiz und wurde unter Anklage für ein angebliches Bombenattentat gestellt. „Mehrfach unschuldig angeklagt“ titelte die Süddeutsche Zeitung am 13.02.10 in Bezug auf die aktuelle Lage. In ihrem neuen Buch beschäftigt sich Pinar Selek mit dem Männerbild der türkischen Armee und legt damit eine Innenansicht des türkischen Militärs vor. Durch Gewalt, die als eine rechtmäßige Methode akzeptiert wird, durch Zwang und Maßregelung, aber auch Bordellbesuche und Besäufnisse, werden aus Jungen Männer gemacht. Dabei hat sich Selek weniger für die Schilderung des Erlebten selbst interessiert, sondern „vielmehr für die Art, in der sich Männer an das Erlebte erinnern“. Sie behandelt die Armee als zentrale Etappe männlicher Sozialisation. „Die Vaterposition erreicht ein Mann dann, wenn er beschnitten wurde, Wehrdienst geleistet, heterosexuelle Erfahrungen gesammelt und Arbeit gefunden hat.“ (Selek). Dann erst folge die Endstation: die Ehe. „Der Mann ist die Streitmacht der Familie“ (Selek).

Für ihr Buch hat sie Interviews mit 58 Männern ausgewertet – auf 50 bezieht sie sich in der deutschen Ausgabe – der Älteste ist Jahrgang 1919, der Jüngste Jahrgang 1982. Alle haben an verschiedenen Orten gedient, stammen aus allen Ecken des Landes, gehören unterschiedlichen Milieus an, repräsentieren das gesamte politische Spektrum. Ihre gemeinsame Erfahrung: Gewalt und Maßregelung. In Erscheinung tritt der türkische Mann als „ramponiertes Wesen“ (Selek). Selbst wenn die nackte Gewalt in den Kasernen der Westtürkei abgenommen habe, seien die Prinzipien unverändert, denn das Ideal der türkischen Armee bestehe weiterhin nicht darin, die Soldaten zu „Staatsbürgern in Uniform“ zu machen, sondern alle Bürger zu „Soldaten ohne Uniform“ (Selek). „Ein Mann muss etwas besitzen“, schreibt sie, „egal was, Geld, eine Frau, ein Kind. Ein Mann muss immer stark sein und immer aktiv im Bett und anderswo, sonst wird ihm die Männlichkeit abgesprochen. Und ein Mann muss bereit sein, was er besitzt, mit seinem Leben zu verteidigen. Für viele ist die Last, ein Mann zu sein, sehr groß. Sie scheitern daran“ (Interview Deutschlandfunk).

Pinar Selek, geb. 1971 in Istanbul, ist eine der führenden antimilitaristischen, feministischen Friedensaktivistinnen der Türkei. Sie hat u.a. über marginalisierte und diskriminierte Gruppen wie Transsexuelle, Straßenkinder und Prostituierte geschrieben und untersucht Geschlechterhierarchien. Trotz zweier Freisprüche  droht ihr erneut ein Prozess in der Türkei, weshalb der P.E.N. Deutschland ihren Aufenthalt in Berlin auf drei Jahre verlängert hat. Mehr als 2000 Personen, darunter Orhan Pamuk, haben ihre Solidarität mit Pinar Selek bekundet.

Michael Greif, Diplom-Soziologe, moderiert und liest ausgewählte Kapitel
In Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg
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Mahkeme Süreci Court Process